„Gestaltungsräume“
In vielen Landeskirchen z.B. in Hannover oder in der Nordkirche sind in den letzten Jahren massive Veränderungen im Bereich der Kirchenstruktur erfolgt. Da wurden Gemeinden, Propsteien und Kirchenkreise in einem großen Umfang verändert und zusammengelegt. Der Grund dafür war eigentlich immer, dass in Anbetracht des Verlustes an Mitgliedern und der geringer werdenden Kirchensteuermittel versucht werden musste, Geld zu sparen, um auch in Zukunft arbeitsfähig zu bleiben.
Die Erfahrungen mit zentral verordneten Fusionen und Einsparungen waren allerdings sehr gemischt und nicht immer gut.
Aus den gemachten Erfahrungen wurde aus meiner Sicht in unserer Landeskirche Braunschweig gelernt. In einem sehr langen und umfangreichen Diskussions- und Beteiligungsprozess wurde schließlich das neue Gesetz zur Struktur- und Gemeindepfarrstellenplanung Ende Mai mit sehr großer Mehrheit von der Landessynode, unserem gewählten Kirchenparlament, beschlossen.
Auch bei uns ist der Grund zur Reform, dass trotz aller Versuche des Wachstums unsere Kirche zahlenmäßig kleiner wird. Der Grund ist neben den Austritten vor allem die demographische Entwicklung, so dass in Zukunft weniger Menschen in unserer Region leben werden.
Es soll mit einem neuen Verteilsystem für die ganze Landeskirche erreicht werden, dass mit einer Pfarrstellenzahl von für 2020 geplanten 170 Stellen die pfarramtliche Versorgung flächendeckend in unserer Landeskirche gelingen kann.
Was steht hinter dem Begriff Gestaltungsräume und wozu dient er?
Es geht hauptsächlich um ein neues Verteilverfahren für die Pfarrstellen in der Landeskirche. Während bislang die Pfarrstellen für jede Gemeinde einzeln nach einem recht komplizierten Verfahren berechnet wurden, werden diese in Zukunft nach einem festen Schlüssel (65% Gemeindegliederzahl, 35% Fläche) den Propsteien zugewiesen.
Die Propsteien haben dann mit einem Propsteisynodenbeschluss die zugewiesenen Pfarrstellen sachgemäß und gerecht auf die einzelnen „Gestaltungsräume“ zu verteilen.
Der Begriff „Gestaltungsraum“ soll meines Erachtens deutlich machen, dass nur ein Rahmen von außen gesetzt wird, der die Aufgabe und Möglichkeit zur Weiterentwicklung (Gestaltung) beinhaltet. Auch zwischen drei verschiedenen Rechtsformen können die Gemeinden wählen.
Natürlich wäre es schön für möglichst viele Gemeinden viele Pfarrstellen zu haben. Aber zum einen gibt es Obergrenzen in der Finanzierbarkeit des gutausgebildeten und hochqualifizierten Pfarrpersonals und zum anderen bekommen wir schon jetzt Schwierigkeiten wegen des Mangels an Pfarrern und Pfarrerinnen Stellen zu besetzen.
Gerade auf dem Land gibt es schon jahrzehntelange Erfahrungen in der Bildung von Pfarrverbänden, d.h. ein Pfarrer bzw. eine Pfarrerin ist für mehrere Gemeinden zuständig. Im Prinzip ist die Bildung von „Gestaltungsräumen“ nichts grundsätzlich anderes, nur wird die Pfarrstellenzuordnung für einen größeren Bereich vorgenommen.
In der Vergangenheit mussten bei geringer werdenden Gemeindegliederzahlen Pfarrverbände immer wieder neu zusammengestellt werden, um besetzbare Stellen zu erhalten. Glück hatten Gemeinden, deren Pfarrstellen gerade besetzt waren und besetzt sind, während es für vakante Gemeinden ein besonders großes Problem darstellt, Pfarrstellen neu zu besetzen, gerade wenn diese nach Pfarrstellenbewertungsplan von einer ganzen auf eine dreiviertel oder halbe Stelle schrumpfen.
Mit dem neuen Konzept soll eine größere Verlässlichkeit und bessere Planbarkeit entstehen. Die festgesetzten Pfarrstellen sind und bleiben dem Gestaltungsraum zugeordnet. Für die dort diensttuenden Pfarrerinnen und Pfarrer wird vermieden, dass sie notgedrungen die Gemeinde verlassen müssen, wenn ihre Stelle „zu klein wird“.
Nicht verschwiegen werden darf natürlich, dass die Pfarrstellenzahl in Zukunft auch weiter abnehmen wird. Dies wäre aber auch nach dem alten Besetzungsverfahren der Fall gewesen, denn an der Problematik der weniger werdenden Kirchenmitglieder ändert kein Gesetz etwas.
Was bedeuten die anstehenden Veränderungen für die Gemeinden?
Solange die Pfarrerinnen und Pfarrer auf den Stellen im Gestaltungsraum bleiben, werden sich Veränderungen sehr behutsam entwickeln können.
So ist natürlich wichtig, dass die Gemeinden auch in Zukunft ihre festen Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen haben, was z.B. mit der Bildung oder Beibehaltung fester Seelsorgebezirke ermöglicht wird. Auch die Kirchenvorstände behalten je nach gewählter Rechtsform ihre Zuständigkeiten.
Zunächst muss überhaupt entschieden werden, mit welchen Gemeinden ein Gestaltungsraum gebildet wird. Danach erst werden sich sinnvolle gemeinsame Kooperationsbereiche erarbeiten lassen.
So könnte es zum Beispiel ein Angebot verschiedener Konfirmandenunterrichts-modelle geben. Veranstaltungen, die nicht nur für eine Gemeinde interessant sind, können auch für mehrere Gemeinden angeboten werden.
Unsere Kirchen möchten wir weiterhin offenhalten und unsere Gottesdienste in allen Kirchen lebendig feiern. Ebenso die guten Angebote, die Ehrenamtliche in unseren Gemeinden durchführen, sollen durch diese verlässlichen Strukturen weiterhin für Sie, für unsere Gemeinden erhalten bleiben und pfarramtlich begleitet werden können. Manche dieser Aufgaben gelingen gemeinsam aber besser.
Der gegenseitige Austausch, das Gespräch über unterschiedliche Ideen und Herangehensweisen sind immer gut und können vieles voranbringen.
Wichtig ist es über Ideen und Sorgen offen miteinander ins Gespräch zu kommen und Wege der Beteiligung und des gemeinsamen Entscheidens zu gehen und weiter zu entwickeln.
