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30.08.2025 Kategorie: Propstei

Wort zum Sonntag

Abschied lernen

Ihre kleinen Arme schlingen sich um meinen Hals. Ich spüre ihre weiche Wange an meiner und ahne, dass es auch heute schwer wird. Für sie und für mich. Wie so oft, wenn wir uns zwischen bunten Rucksäcken und Gummistiefeln verabschieden müssen. Für ein paar Stunden, bis wir am Nachmittag wieder beieinander sind. Feuchte Augen und ein stechendes Herz gehören genauso dazu wie eine feste Umarmung, stärkende Worte und irgendetwas, das uns aneinander erinnert. Wir sind auf dem Weg, voneinander zu lernen, was uns hilft. An manchen Tagen geht es schon ganz leicht, an anderen braucht es seine Zeit. Denn Loslassen und an ein Wiedersehen zu glauben, bedeutet vor allem Vertrauen. Vertrauen in unser Gegenüber, in die Welt und Vertrauen in Gott. Darin, dass die gemeinsame Geschichte nach diesem Tschüss nicht endet. Dass wir uns wieder sehen und noch ganz viel Zeit miteinander haben. 
Während einigen bereits von Kind an Abschiede wenig Mühe bereiten, gehen anderen diese Momente sehr nah. Und so ertappe ich mich dabei, dass auch ich hin und wieder nicht gehen möchte. Dass ich nach dem „Tschüss“ bei meiner Oma nicht gleich den Motor des Autos starte, vielmehr versuche, den Augenblick irgendwie zu konservieren. Dass ich nach dem „Bis nächste Woche“ bei meinen Eltern die Stimmen, das Lächeln und das wohlig warme Gefühl des Zuhause seins in meinem Gedächtnis abspeichern möchte. Denn ich weiß, dass ich nicht weiß, ob es nur ein Abschied von vielen ist oder das eine letzte Mal. Das eine Mal, dass nicht laut hier schreit, sondern meist unbemerkt an uns vorüberzieht. Bis uns irgendwann bewusst wird, dass wir dieses eine letzte Mal in unserem Leben verpasst haben. Weil wir Dinge und Menschen für selbstverständlich hinnehmen und die Endlichkeit lieber verdrängen, als uns mit dem Abschiedsschmerz auseinanderzusetzen. Dabei haben wir nahezu täglich Chancen, Abschied zu lernen. Sei es beim Aussortieren unserer abgewetzten Lieblingsjeans, nach dem letzten Satzzeichen in dem soeben verschlungenen Buch, mit den Kranichen, die das Ende des Sommers einläuten. Und ebenso am Gartentor der Großeltern oder in der Garderobe der Kindertagesstätte. Um im Kleinen zu merken, dass Abschiede kein Ende, sondern ein Übergang sind. Die dazu gehören, damit es nicht zu einem Stillstand kommt. In denen wir getragen werden, auch wenn es mal weh tut. Die uns vor allem zeigen, was uns wichtig ist und für immer einen Platz in unserem Herzen hat. Auch dann noch, wenn eines Tages die gemeinsame Geschichte endet.