Schmunzelnd sitzt er vor mir mit seinem in Gips gelegtes Bein und der Gehhilfe, die
neben seinem Stuhl steht. Unglücklich ist er gefallen als er die Straße vom Schnee befreit hat. Eine kleine Stelle vor der Gartenpforte zum eigenen Haus war spiegelglatt. Da ist er hingefallen und hat sich einen Bruch am Bein zugezogen.
Dennoch sitzt er schmunzelnd vor mir: " Wissen Sie“, sagt er mir mit einem fast spitzbübischen Lächen, „ als ich fiel war alles gut. Nur – als ich unten ankam, das war wirklich blöd.“
Ordnung – das stand immer für ihn im Vordergrund. Alles zur rechten Zeit und am rechten Ort erledigt haben. Als Lehrer, so hieß es, war er streng. Na ja, was heißt das. Pünktlichkeit war für ihn wichtig. Die Aufgaben immer zur Zufriedenheit erledigt haben. Aufmerksam sein im Unterricht. Alles Dinge, die erst einmal unangenehm klingen. ‚Will ich bei diesem Menschen wohl in der Grundschule gewesen sein? ‘ Ein unwillkürliches Nein begegnet der Erfahrung vieler Menschen, die als Kinder bei ihm in der Schule gewesen sind. Sie haben ihn gemocht. ‚Ja, streng war er, aber in allem, was er tat, war er immer liebevoll. Er hat Grenzen aufgezeigt und gleichzeitig immer den Weg nach vorne offen gehalten‘.
Er nimmt seine Gehhilfe zur Hand. Vorsichtig tastend. Hier und da zuckt es auch im Gesicht, während er sich langsam erhebt. Sicher die Schmerzen, die noch übrig geblieben sind und ihn bestimmt auch noch lange Zeit begleiten. Dennoch - unbeirrt und mit fröhlichem Blick. Er ist, so scheint es mir, auch streng mit sich selbst. Er geht, wo es ihm schwer fällt. Als wüsste er, dass die Gehilfe nicht das Letzte ist, was auf ihn wartet und der Schmerz nicht das Letzte ist, was ihn begleitet. Als ob die Grenze, die ihm hier gesetzt ist, sowieso bald fällt, weil etwas ungleich Schöneres auf ihn wartet. Nicht etwa nach dem Tod, sondern heute, morgen, in der Begegnung mit anderen Menschen, mit mir. Das ist für mich Advent. Das heißt für mich Ankommen. Das heißt für mich schon mit einem Fuß in der Welt stehen, die auf mich wartet. Dem wärmenden Strahlen meiner Augen eine Chance geben, wo der Blick sich gerne verdunkeln möchte. Ein Lächeln spielt sich nun auch auf meine Lippen, unweigerlich und legt sich wie ein warmer Regen auf mich.
Andreas Lichtblau
Pfarrer in der Dreieinigkeitsgemeinde Salzdahlum-Apelnstedt-Volzum
neben seinem Stuhl steht. Unglücklich ist er gefallen als er die Straße vom Schnee befreit hat. Eine kleine Stelle vor der Gartenpforte zum eigenen Haus war spiegelglatt. Da ist er hingefallen und hat sich einen Bruch am Bein zugezogen.
Dennoch sitzt er schmunzelnd vor mir: " Wissen Sie“, sagt er mir mit einem fast spitzbübischen Lächen, „ als ich fiel war alles gut. Nur – als ich unten ankam, das war wirklich blöd.“
Ordnung – das stand immer für ihn im Vordergrund. Alles zur rechten Zeit und am rechten Ort erledigt haben. Als Lehrer, so hieß es, war er streng. Na ja, was heißt das. Pünktlichkeit war für ihn wichtig. Die Aufgaben immer zur Zufriedenheit erledigt haben. Aufmerksam sein im Unterricht. Alles Dinge, die erst einmal unangenehm klingen. ‚Will ich bei diesem Menschen wohl in der Grundschule gewesen sein? ‘ Ein unwillkürliches Nein begegnet der Erfahrung vieler Menschen, die als Kinder bei ihm in der Schule gewesen sind. Sie haben ihn gemocht. ‚Ja, streng war er, aber in allem, was er tat, war er immer liebevoll. Er hat Grenzen aufgezeigt und gleichzeitig immer den Weg nach vorne offen gehalten‘.
Er nimmt seine Gehhilfe zur Hand. Vorsichtig tastend. Hier und da zuckt es auch im Gesicht, während er sich langsam erhebt. Sicher die Schmerzen, die noch übrig geblieben sind und ihn bestimmt auch noch lange Zeit begleiten. Dennoch - unbeirrt und mit fröhlichem Blick. Er ist, so scheint es mir, auch streng mit sich selbst. Er geht, wo es ihm schwer fällt. Als wüsste er, dass die Gehilfe nicht das Letzte ist, was auf ihn wartet und der Schmerz nicht das Letzte ist, was ihn begleitet. Als ob die Grenze, die ihm hier gesetzt ist, sowieso bald fällt, weil etwas ungleich Schöneres auf ihn wartet. Nicht etwa nach dem Tod, sondern heute, morgen, in der Begegnung mit anderen Menschen, mit mir. Das ist für mich Advent. Das heißt für mich Ankommen. Das heißt für mich schon mit einem Fuß in der Welt stehen, die auf mich wartet. Dem wärmenden Strahlen meiner Augen eine Chance geben, wo der Blick sich gerne verdunkeln möchte. Ein Lächeln spielt sich nun auch auf meine Lippen, unweigerlich und legt sich wie ein warmer Regen auf mich.
Andreas Lichtblau
Pfarrer in der Dreieinigkeitsgemeinde Salzdahlum-Apelnstedt-Volzum