An diesem Wochenende gedenken viele von uns der verstorbenen Familienangehörigen, Freundinnen und Freunde. In den Gottesdiensten werden die Namen derjenigen verlesen, die im vergangenen Kirchenjahr aus unseren Gemeinden verstorben sind. Viele besuchen auf den Friedhöfen die Gräber ihrer Lieben. Die Erinnerungen an sie reißen oft alte Wunden wieder auf, die noch lange nicht verheilt sind. Ich glaube aber, dass gerade diese Erinnerung für unser Zusammenleben insgesamt und für den Trauer- und Heilungsprozess von großer Bedeutung ist. Die Beziehung zu den Verstorbenen bleibt auch über den Tod hinaus bestehen.
Die Endlichkeit des Lebens bewusst wahrnehmen
Ebenso wichtig ist es, sich der Endlichkeit des Lebens zu stellen und daraus wichtige Entscheidungen für das eigene Leben abzuleiten. Im Psalm 90,12 heißt es: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Müssen wir wirklich an das Selbstverständliche erinnert werden? Ein Blick in die Natur oder in die Nachrichten zeigt uns die Vergänglichkeit des Lebens. Trotzdem fällt es uns oft schwer, daraus eine angemessene Haltung mit konkreten Konsequenzen für unser eigenes Leben zu entwickeln. Zu häufig verschieben wir Pläne und Vorhaben auf später – auf das nächste Jahr oder auf die Zeit nach dem Ruhestand. Der Alltag hat eine große Macht und lässt uns zu oft vergessen, was uns eigentlich wichtig ist.
Jetzt klug werden und handeln
Das Wort aus dem Psalm fordert uns auf, uns jetzt mit der Endlichkeit auseinanderzusetzen und nicht alles auf später zu verschieben. Es ermutigt dazu, Freundschaften und familiäre Beziehungen besser zu pflegen und einige Schritte zu wagen, die uns besonders am Herzen liegen. Wen möchte ich unbedingt wiedersehen, hatte bisher aber keine Gelegenheit dazu? Wie zufrieden bin ich mit dem, was ich tue? Was möchte ich ändern, weiß aber nicht wie? Welchen Streit möchte ich endlich beilegen, finde aber nicht den ersten Schritt?Oder, wohin möchte ich unbedingt reisen? Solche oder ähnliche Fragen stellen wir uns immer wieder und sollten auch zeitnah beantwortet werden. Die Beschäftigung mit der eigenen Sterblichkeit weist uns den Weg ins Leben. Zum Klugwerden gehört auch die Wertschätzung des Lebens, die über den privaten Bereich hinausgeht.
Erinnerung und Hoffnung
Am Sonntag ist sowohl Totensonntag als auch Ewigkeitssonntag. Wir erinnern uns an die Verstorbenen und erwarten zugleich eine Welt, in der Leid, Gewalt und Tränen insgesamt ein Ende haben. Dieser Sonntag bildet den Abschluss des Kirchenjahres und lenkt unseren Blick auf das kommende Licht des Advents als Zeichen der Hoffnung und des Neubeginns.