Gerade werden wieder die Nobelpreise für herausragende wissenschaftliche Entdeckungen verliehen. Ich mache mir manchmal den Spaß und versuche zu verstehen, wofür genau dieser Preis jetzt an diese Person oder den Personenkreis gegangen ist. Oft stelle ich dabei jedoch fest: Das ist eine ganz eigene Welt und kann eigentlich nur von Personen verstanden werden, die genau wie der/die Ausgezeichnete ihr Leben lang in diesem Gebiet geforscht haben. Mir fällt auf, wie anders dagegen mein Leben ist: Ein Schwimmen zwischen Beruf, Freizeit und Familie, mal mehr mal weniger souverän. Nein, ich werde wohl keinen Nobelpreis gewinnen. Oder irgendeine andere Auszeichnung, weil mein Leben gar kein so herausragendes Engagement auf einem Gebiet zulässt. Der Alltag ist meine Hochleistung. Und dafür gibt es eben keinen Preis. Wie für so viele stille Hochleistungen: Angehörige pflegen oder auch entscheiden, es nicht zu können, Kinder lieben und gleichzeitig Grenzen setzen, Aufstehen trotz Depression. Wie viel Kraft es kostet, sich zu trauen auf die eigenen Bedürfnisse zu hören und den Mut aufzubringen sie zu äußern. Dabei ist es doch das, was uns im Leben voranbringt. Wie ein ganz eigenes Forschungsgebiet mit Fort- und Rückschritten. Junge Arbeitnehmer, die auf ihre psychische Gesundheit in diesen zugegeben herausfordernden Zeiten achten und daher nicht Überstunden anhäufen, werden in Deutschland immer noch gerne als „faul“ betitelt. Dabei ist es wichtig darauf zu achten, was man gerade braucht, gerade damit man leistungsfähig bleiben kann und im Leben vorankommt. Darauf wies auch Jesus bei seinem Besuch Marta hin, die sich bei ihm beschwert hatte, weil ihre Schwester Maria bei Jesus saß und ihm lange zuhörte und sich nicht bei der Hausarbeit und der Bewirtung der Gäste beteiligte. Er sah die „Sorge und Mühe“, die Marta sich machte, verteidigte aber Marias Entscheidung, die sie langfristig bereichern würde. (Lk 10)
Wir mögen zwar keine Nobelpreisträger sein, aber auch unser Alltag ist nicht weniger wertvoll. Vielleicht ist es sogar anspruchsvoller, das Chaos aus Fremd- und Eigenanspruch zu entwirren, als sich einem eng gefassten Forschungsgebiet zu verschreiben. Wichtig ist für beide, dass man Freude an seinem Tun hat und seine Kraft daraus ziehen kann. Ob aus dem gepflegten Haushalt oder dem Lauschen von Neuem ist dann ganz Ihnen überlassen.
Julia Jansen, Pfarrerin im Pfarrverband Maria von Magdala in Wolfenbüttel und Sickte