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05.08.2017 Kategorie: Propstei

Wort zum Sonntag

Axel Hacke ist in unserer Region wohlbekannt: Gebürtiger Braunschweiger, Journalist und Buchautor. Bekannt geworden ist er durch seine Bücher über missverstandene Worte wie „Der weiße Neger Wumbaba“.
Axel Hacke hat auch ein Buch über Gott geschrieben: „Die Tage, die ich mit Gott verbrachte“, heißt es. Es handelt davon, dass ein deutscher Büromensch Gott begegnet. Von zwei Stellen in dieser Geschichte will ich berichten.
An der ersten führt Gott den Büromenschen zum „Großen Egal“. Dem Großen Egal ist wirklich alles egal. Ob ein Mensch da ist oder nicht, ob er glücklich ist, oder ob in Rio der immer zitierte Kaffeesack platzt - egal. Ob die Menschheit lebt, ob sie in Frieden und Gerechtigkeit lebt, oder ob sie das Gesetz des Dschungels gelten lässt - egal. Die Erde dreht sich weiter, das Universum hält deswegen nicht einmal für den Bruchteil einer Sekunde inne. - Der Büromensch ist darüber ziemlich wütend.
Später lässt Gott ihn einen Blick auf seine eigene Familie werfen. Er sieht sich selbst mit Frau und Kindern um den Tisch sitzen, wie sie alle mit einander essen, reden, wahrscheinlich eine Menge blödeln und zusammen großen Spaß haben. Die Wärme in ihrer Tischrunde ist einfach das beste, was ihnen im Leben passieren kann.
Der Büromensch sieht ein: In dieser Runde ist ihnen das Große Egal - egal. Da ist Sinn, da ist Wärme, da ist ein Platz, wo sie einfach alle hin gehören.
So lustig und skurril das alles in Hackes Buch beschrieben wird - er weist auf etwas Wesentliches hin, auf etwas, das uns erst zu Menschen macht: Wir tun tatsächlich eine Menge, um dem Großen Egal etwas entgegen zu setzen. Wir entwickeln soziale Bindungen, Kultur, Wissenschaft, Recht und Religion. Sie alle erschaffen Räume, in denen etwas nicht egal ist, sondern wertvoll und sinnvoll. Religion etwa umgibt unsere Individualität mit ihrem Schutzraum und steht dafür, dass wir nicht Nummern, sondern Menschen mit Namen und eigenem Leben sind.
Bei dem allen handelt es sich nicht nur um die Hobbies gelangweilter Wohlstandsbürger oder ängstlicher Naturen. Es geht um wirkliche Lebensqualität und für viele sogar um das Überleben. Denn wo alles egal ist, brauchen wir uns unter anderem auch an keine Regeln mehr zu halten. Der Stärkere würde gewinnen und bräuchte überhaupt keine Rücksicht mehr zu nehmen. Oder wir benötigten keine Individualität mehr, sondern könnten genau so gut wie namenlose Rädchen in einer Maschinerie weiter existieren.
Gruselige Aussichten? Ja. Deswegen pflegen wir unsere Wälle gegen das Große Egal gut - den Glauben eingeschlossen.
Martin Granse
Pfarrer im Pfarrverband Johannes der Täufer in Wolfenbüttel